Schlagwort: Konformitätsbewertungsverfahren

MST007 – Aktuelles: Apple Watch

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Fabian

Grundlagen EKG

  • Elektrokardiogramme, häufig auch als EKG bezeichnet, zeichnen den zeitlichen und örtlichen Verlauf elektrischer Erregungsvorgänge am Herzmuskel auf
  • Jede Erregungsausbreitung über Fasern im Herzen stellt eine Quelle elektrischer Spannung dar
  • Das Herz ist somit eine Potentialquelle und das EKG zeigt quasi ein Bild der Potentialverschiebung oder Elektrizitätserzeugung, also die Erregungsvorgänge am Herzen
  • Bei einem klassischen Elektrokardiogramm liegt die Größe des Nutzsignals bei ca. einem Millivolt.
  • Unterschiede finden sich in der Abnahmetechnik und in räumlicher Hinsicht
  • Als bipolare Ableitung bezeichnet man Ableitungen zwischen zwei Punkten
  • Bei der so genannten unipolaren Ableitung ist eine differente Elektrode gegen eine Nullelektrode geschaltet
  • Als Standardableitungen werden bezeichnet: Die drei bipolaren Extremitätenableitungen (I, II, III) nach Einthoven, die auf diesen Ableitungen basierenden und von Goldberger konstruierten unipolaren Extremitätenableitungen (aVR, aVL, aVF), sowie die sechs unipolaren Brustwandableitungen (V1, V1, V3, V4, V5, V6) nach Wilson
  • Ein konventionelles 12-Kanal-EKG registriert parallel die Extremitätenableitungen nach Einthoven (3) und Goldberger (3), sowie die Brustwandableitung nach Wilson (6)

Der Artikel in der Wikipedia beschreibt das Thema EKG auch sehr gut. Dort werden auch die verschiedenen Abschnitte eines EKGs erklärt.

Quellen:

Apple Watch und EKG

Die Apple Watch besitzt ein sog. 1-Kanal EKG. Generell gilt für 1-Kanal EKGs das Folgende:

Aus dem 1-Kanal-EKG lassen sich aber nur folgende Diagnosen stellen:

  • Bradykardie (zu langsamer Herzrhythmus)
  • Tachykardie (zu schneller Herzrhythmus)
  • Asystolie (kein Rhythmus)
  • supraventrikuläre und ventrikuläre Extrasystolen (Herzschläge außerhalb des physiologischen Herzrythmus)
  • ektoper Rhythmus (eine Art von Herzrhythmusstörung)
  • Vorhof- und Kammerflattern oder -flimmern

Apple hatte Mitte 2016 in den USA ein Patent für eine EKG-Funktion in einem Wearable angemeldet:

Quelle: R. Kramme (Hrsg.), Medizintechnik, 4. Auflage, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011

“Konkurrenzprodukte” unter anderem von:

1. Alivecor

Firma:  https://www.alivecor.com/

Gebrauchsanweisung: https://www.alivecor.com/previous-labeling/kardia/08LB12.5.pdf

FDA:   https://www.accessdata.fda.gov/scripts/cdrh/cfdocs/cfpmn/pmn.cfm
In der Suche bei Applicant Name nach alivecor suchen: Hier sieht man, es wurde sieben mal eine 510(k), eine  Art “Erlaubnis”, ausgestellt.

  • der Hersteller hat die Konformität in der EU erklärt (CE-Zeichen)
  • benannte Stelle war der TÜV Süd (0123) auf dem CE-Zeichen in der Gebrauchsanweisung

Zweckbestimmung:

Das Produkt Kardia Mobile ist für die Aufzeichnung, Speicherung und Übertragung eines Einkanaligen Elektrokardiogramm (EKG) Rhythmus bestimmt. Das Produkt Kardia Mobile zeigt auch EKG-Rhythmen an und erkennt das Vorhandensein von Vorhofflimmern und normalem Sinusrhythmus (wenn verschrieben oder unter ärztlicher Aufsicht verwendet). Das Produkt Kardia Mobile ist für den Gebrauch durch medizinisches Fachpersonal, Patienten mit bekannten oder vermuteten Herzerkrankungen und gesundheitsbewusste Personen bestimmt. Das Produkt ist nicht für den pädiatrischen Einsatz vorgesehen und wurde auch nicht dementsprechend getestet.

2. Personal MedSystems GmbH

Firma: https://www.cardiosecur.com/de/produkt/wie-es-funktioniert/

Gebrauchsanweisung: https://www.cardiosecur.com/de/meta-navigation/footer/hilfe/download-center/

  • der Hersteller hat die Konformität in der EU erklärt (CE-Zeichen)
  • benannte Stelle war der TÜV Süd (0123) auf dem CE-Zeichen in der IFU

Zweckbestimmung

CardioSecur dient dazu, Ruhe-Elektrokardiogramme (-EKGs) von Erwachsenen aufzuzeichnen, auszuwerten und zu speichern. CardioSecur ist ein medizinisches, elektrisches System, welches aus einem EKG-Kabel und einer App für das Smartphone besteht. Mit 4 Elektroden kann CardioSecur ein vollwertiges 15-Kanal-EKG aufzeichnen, auswerten und speichern. Anhand des Vergleiches eines Kontroll-EKGs mit einem Referenz-EKG erkennt CardioSecur mögliche Rhythmus- und Durchblutungsstörungen des Herzens. CardioSecur dient der Selbstüberwachung der Herzaktivität.

Die Aufzeichnung des Referenz-EKGs muss zu einem beschwerdefreien Zeitpunkt erfolgen und wird in der CardioSecur App gespeichert. Die Aufzeichnung kann sowohl unter ärztlicher Kontrolle als auch durch den Anwender selbst erfolgen. Ein Kontroll-EKG sollte sofort bei Beschwerden oder aber unabhängig von Beschwerden in regelmäßigen Abständen (z. B. täglich) erfolgen.

Der Anwender benötigt für die Verwendung von CardioSecur keine medizinischen Vorkenntnisse und muss nicht gesondert geschult sein. CardioSecur wird für Personen mit einer bekannten oder vermuteten Herzerkrankung und für Personen mit Risikofaktoren für eine Herzerkrankung (z. B. Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder erhöhtes Cholesterin) empfohlen. CardioSecur kann sowohl von Patienten als auch von Vorsorgenden verwendet werden. […]

Was ist an der Apple Watch ein Medizinprodukt?

Kurze Wiederholung der Definition Medizinprodukt

Sehr starkt vereinfacht zusammengefasst: Medizinprodukte sind Produkte, die vom Hersteller dazu bestimmt sind

  • Krankheiten und Verletzungen von Patienten zu diagnostizieren, zu überwachen und zu therapieren oder
  • physiologische Vorgänge zu untersuchen oder
  • den anatomischen Aufbau von Menschen zu verändern oder
  • der Empfängnisregelung zu dienen.

Sobald ein Produkt einer dieser Definitionen genügt, ist es ein Medizinprodukt, das den regulatorischen Anforderungen genügen muss. Das bedeutet, dass der Hersteller (mit seiner Zweckbestimmung) entscheidet, ob es sich bei dem Produkt um ein Medizinprodukt handelt.

Wie ist das jetzt mit der “Zulassung” in Amerika von der FDA?

Die FDA hat für zwei Apps auf der Uhr eine “Clearance” (Freigabe) erteilt. Das ist nicht das gleiche wie ein “Approval” (Zulassung”). Approvals gibt es von der FDA nur für Klasse III Produkte (z.B.: Implantierbare Herzschrittmacher).

Das aufwändigste Verfahren ist die FDA-Zulassung, die nur für Produkte der Klasse III erfolgt, oder für Technologien, die ein höheres Risiko, aber auch einen höheren Nutzen haben könnten. https://www.fda.gov/medicaldevices/productsandmedicalprocedures/deviceapprovalsandclearances/default.htm

Apple hat eine “de novo”-Klassifizierung für die beiden Apps erhalten. Das bedeutet,

  • die Apps liegen risikobedingt noch in der Klasse II
  • die Apps haben nicht so viele Tests durchlaufen hat wie ein “zugelassenes” Gerät
  • die Apps sind anders als alles andere auf dem Markt (de novo Charakter)

Interessante Infos, bevor wir in die FDA Unterlagen schauen

Die ehemalige FDA Beamtin Donna-Bea Tillman hat die Einreichung bei der FDA für Apple durchgeführt. Da hat Apple eine exzellente Wahl getroffen.

DeNovo Datenbank: https://www.accessdata.fda.gov/scripts/cdrh/cfdocs/cfPMN/denovo.cfm

  • bei Requester Name nach Apple suchen

EKG App

FDA Dokumente zur de novo Klassifizierung: https://www.accessdata.fda.gov/cdrh_docs/pdf18/DEN180044.pdf

  • Device Class: 2
  • Product Code: QDA

Zweckbestimmung aus der DeNovo Klassifizierung

Die EKG-App ist eine reine mobile medizinische Softwareanwendung, die für die Verwendung mit der Apple Watch bestimmt ist, um ein Einkanal-EKG zu erstellen, aufzuzeichnen, zu speichern, zu übertragen und anzuzeigen, ähnlich dem eines 1-Kanal EKGs. Die EKG-App bestimmt das Vorhandensein von Vorhofflimmern (AFib) oder Sinusrhythmus auf einer klassifizierbaren Wellenform. Die EKG-App wird nicht für Benutzer mit anderen bekannten Arrhythmien empfohlen.

Die EKG-App ist für den rezeptfreien Einsatz (OTC) vorgesehen. Die von der EKG-App angezeigten EKG-Daten sind nur zur Information bestimmt. Der Benutzer ist nicht dazu bestimmt, ohne Rücksprache mit einem qualifizierten medizinischen Fachpersonal klinische Maßnahmen auf der Grundlage der Geräteausgabe zu interpretieren oder zu ergreifen. Die EKG-Wellenform soll die Rhythmusklassifizierung ergänzen, um AFib vom normalen Sinusrhythmus zu unterscheiden, und nicht dazu bestimmt, traditionelle Diagnose- oder Behandlungsmethoden zu ersetzen. Die EKG-App ist nicht für Personen unter 22 Jahren bestimmt.

Die FDA identifiziert diesen generischen Gerätetyp als elektrokardiographische Software für den rezeptfreien Gebrauch. Eine elektrokardiographische Gerätesoftware für den rezeptfreien Gebrauch erzeugt, analysiert und zeigt elektrokardiographische Daten an und kann Informationen zur Identifizierung von Herzrhythmusstörungen liefern. Dieses Gerät ist nicht dazu bestimmt, eine Diagnose zu stellen.

Irregular Rhythm Notification Feature

FDA Dokumente zur de novo Klassifizierung: https://www.accessdata.fda.gov/cdrh_docs/pdf18/DEN180042.pdf

  • Device Class: 2
  • Product Code: QDB

Zweckbestimmung aus der DeNovo Klassifizierung

Das Irregular Rhythm Notification Feature ist eine reine mobile medizinische Softwareanwendung, die für die Verwendung mit der Apple Watch bestimmt ist. Die Funktion analysiert Pulsfrequenzdaten, um Abschnitte unregelmäßiger Herzrhythmen zu identifizieren, die auf Vorhofflimmern (AFib) hinweisen und informiert den Anwender. Die Funktion ist für den rezeptfreien Einsatz (OTC) vorgesehen. Es ist nicht vorgesehen, über jeden Abschnitt eines unregelmäßigen Rhythmus, der auf AFib hindeutet, zu informieren, und das Fehlen einer Benachrichtigung soll nicht darauf hindeuten, dass kein Erkrankungsverlauf vorliegt; vielmehr soll das Merkmal opportunistisch eine Benachrichtigung über eine mögliche AFib hervorrufen, wenn ausreichende Daten für die Analyse verfügbar sind. Diese Daten werden nur erfasst, wenn sich der Benutzer noch im Ruhezustand befindet. Zusammen mit den Risikofaktoren des Benutzers kann die Funktion genutzt werden, um die Entscheidung für das AFib-Screening zu ergänzen. Das Merkmal ist nicht als Ersatz für herkömmliche Diagnose- oder Behandlungsmethoden gedacht.

Die Funktion wurde nicht getestet und ist nicht für die Verwendung bei Personen unter 22 Jahren vorgesehen. Es ist auch nicht für die Verwendung bei Personen bestimmt, bei denen zuvor AFib diagnostiziert wurde.

Die FDA identifiziert diesen generischen Gerätetyp als photoplethysmographische Analysesoftware für den stationären Einsatz. Eine Photoplethysmographie-Analyse-Softwarevorrichtung für den rezeptfreien Gebrauch analysiert Photoplethysmographie-Daten und liefert Informationen zur Identifizierung unregelmäßiger Herzrhythmen. Dieses Gerät ist nicht dazu bestimmt, eine Diagnose zu stellen.

Wie sieht es in Europa (und damit auch Deutschland) aus?

In Europa und damit auch in Deutschland sind die beiden Apps nicht verfügbar, da Apple keine Konformität nach EU-Recht erklärt hat.

In Europa erklären die Hersteller die Konformität selbst. Eine benannte Stelle ist meist in das Konformitätsbewertungsverfahren eingebunden.

Es wird sich vermutlich um ein aktives Medizinprodukt handeln.

  • Regel 10 MDD
  • Regel 9, 10, 11 MDR

Auszug Regel 10 MDD:

Alle aktiven diagnostischen Produkte gehören zur Klasse IIa,

  • wenn sie dazu bestimmt sind, eine direkte Diagnose oder Kontrolle von vitalen Körperfunktionen zu ermöglichen, es sei denn, sie sind speziell für die Kontrolle von vitalen physiologischen Parametern bestimmt und die Art der Änderung dieser Parameter könnte zu einer unmittelbaren Gefahr für den Patienten führen, z.B. Änderung der Herzfunktion, der Atmung oder der Aktivität des zentralen Nervensystems, oder wenn sie für die Diagnose in klinischen Situationen, in denen der Patient in unmittelbarer Gefahr schwebt, bestimmt sind; in diesen Fällen werden sie der Klasse IIb zugeordnet

Siehe Episoden MST-002 (Rechtliche Grundlagen MDR) und MST-003 (Anwendung rechtlicher Grundlagen)

MST003 – Regulatory: Anwendung rechtlicher Vorgaben

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Fabian

Lebenszyklus eines Medizinprodukts

Zweckbestimmung und bestimmungsgemäßer Gebrauch

Jeder Hersteller sollte mit der Zweckbestimmung beginnen. Das ist quasi das wichtigste Dokument am Anfang einer Produktidee im Medizinbereich.

Die Zweckbestimmung entscheidet, ob es sich bei dem Produkt um ein Medizinprodukt handelt oder nicht. Damit entscheidet der Hersteller ob es ein Medizinprodukt ist oder nicht. Die Aufsichtsbehörden haben natürlich das letzte Wort. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ist Zuständig für die Abgrenzung und Klassifizierung von Medizinprodukten.

Das Messen von beispielsweise Blutdruck und Puls ist eine technische Funktion. Erst die Zweckbestimmung macht das Produkt zum Medizinprodukt (oder eben auch nicht).

Inhalt der Zweckbestimmung

Eine Zweckbestimmung sollte die folgenden Aspekte dokumentieren:

  • wie das Produkt der Diagnose, Therapie oder Überwachung von Krankheiten oder Verletzungen oder physiologischer oder anatomischer Parameter dient. Das kann ein physikalisches Funktionsprinzip (Quasi die Behandlung: Strahlung, …), Dokumentation, Berichterstellung, Algorithmen, Datenverarbeitung oder Planung sein. Auch die Anwendungsort (Körperteil am Patienten) und die Anwendungsdauer sind hier zu dokumentieren
  • die vorgesehene Patientengruppe mit Informationen wie Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Beeinträchtigungen, Krankheiten, familiäres Umfeld und Gewicht,
  • welche Körperregion bzw. welches Gewebe untersucht, diagnostiziert, therapiert oder überwacht werden soll,
  • die Benutzergruppen einschließlich Alter, Beruf, Ausbildung/Weiterbildung, Geschlecht, Sprachkenntnisse, spezielle relevante Fähigkeiten oder Erfahrungen mit bestimmten Produkten. Hier ist es auch sinnvoll die Länder zu nennen, in denen das Produkt eingesetzt werden soll.
  • den Benutzungskontext, also Kernaufgaben, Häufigkeit der Anwendung, Arbeitsbelastung, zu erzielende Ergebnisse, sowie
  • den Ort der Anwendung und dort vorherrschende Verhältnisse wie Helligkeit, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Lautstärke in der Umgebung, Sichtweite und die mentale Belastung
  • Erste Abschätzung der Marktdaten wie geplante Lebensdauer des Produktes, Anzahl der zu verkauften Produkte, Anzahl der Anwendungen des Produktes pro Tag und pro Patient

Die Fragen im Anhang C in der ISO 14971 lassen sich sehr gut als Checkliste hernehmen um sicherzustellen, dass alle Aspekte die eine Zweckbestimmung beinhalten sollte tatsächlich berücksichtigt wurden. Das Inhaltsverzeichnis der Norm ist öffentlich einsehbar. Die Fragen sind als Unterkapitel in der Norm beschrieben. Damit sind die Fragen für Jeden öffentlich einsehbar:

Bestimmungsgemäßer Gebrauch

Der bestimmungsgemäßen Gebrauchs enthält zusätzlich zur Zweckbestimmung noch weitere Informationen zum Produktlebenszyklus (von der Installation über Instandhaltung, Transport und Lagerung bis zur Entsorgung wie z.B.:)

  • Umweltbedingungen für Lagerung und Transport (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Druck)
  • Installationsbedingungen (z.B. Installation durch Fachpersonal)
  • Wartungsbedingungen (Intervalle) oder Fernwartung
  • Reinigung

Klassifizierung von Medizinprodukten und Konformitätsbewertungsverfahren

In der letzten Sendung haben wir über die Konformitätsbewertungsverfahren geredet und für welche Klassen, welche Verfahren angewendet werden dürfen. Heute gehen wir noch mal einen Schritt zurück und schauen uns die Klassen einmal genauer an.

Es gibt vier Klassen von Medizinprodukten:

KlasseRisikoBeschreibungBeispiele
IIISehr hohes Risikozur langfristigen Medikamentenabgabe, Inhaltsstoff tierischen Ursprungs und im Körper, unmittelbare Anwendung an Herz, zentralem Kreislaufsystem oder zentralem Nervensystem, und invasive Empfängnisverhütung Hüft-und Kniegelenkimplantate, Herzkatheter, Brustimplantate, ...
IIbHohes Risikosystemische Wirkungen, Langzeitanwendungen, nicht invasive Empfängnisverhütung, langzeitig ≥ 30 Tage, sonst wie bei kurzzeitig Intraokularlinsen, Kondome, Röntgengeräte, Infusionspumpen, ...
IIaMittleres Risiko mäßiger Invasivitätsgrad, kurzzeitige Anwendungen im Körper (im Auge, intestinal, in chirurgisch geschaffenen Körperöffnungen) kurzzeitig ≤ 30 Tage, ununterbrochen oder wiederholter Einsatz des gleichen Produktes Zahnfüllungen, Röntgenfilme, Hörgeräte, Ultraschallgeräte, ...
IGeringes Risiko geringer Invasivitätsgrad, kein oder unkritischer Hautkontakt, vorübergehende Anwendung ≤ 60 Minuten Lesebrillen, Rollstühle, Mullbinden, Fieberthermometer, ...
Produkte der Klasse I werden noch weiter unterschieden:

  • Messfunktion (Im)
  • steril (ls)
  • wiederverwendbare chirurgische Instrumente (lr)

Die Klassen dienen der Einteilung der Produkte nach der “Verletzbarkeit des menschlichen Körpers”. Diese wiederum definiert sich über die Zweckbestimmung des Herstellers.

Abhängig von dieser Klassifizierung bestimmen sich die Konformitätsbewertungsverfahren, die für das Produkt angewendet werden dürfen.

Nicht zu verwechseln mit: den Softwaresicherheitsklassen gemäß IEC 62304!

Konformitätsbewertungsverfahren:

  • Die verschiedenen Konformitätsbewertungsverfahren wurden in der letzten Sendung behandelt
  • Die verschiedenen Regeln zur Klassifizierung wurden in der letzen Sendung behandelt
  • MDD ist “einfach” und verstanden
  • MDR ist noch neu und es fehlt an Erfahrungswerten

Quellen:

Klinische Bewertung

Anhang XIV MDR

  • Eine klinische Bewertung ist für jedes Medizinprodukt ein zwingend erforderlicher Teil des Konformitätsbewertungsverfahrens (Anhang X der MDD).
  • Kann im einfachsten Fall auf vorhandener Literatur basieren, wenn nachgewiesener Weise die Daten für die technischen Anforderungen, als auch für die Zweckbestimmung eines vergleichbaren Produktes erhoben wurden.
  • Falls nicht, muss eine klinische Prüfung durchgeführt werden (strengere Reglementierungen)
  • Jede klinische Prüfung muss beim Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) beantragt und von einer Ethik-Kommission [MPKPV] genehmigt werden.

Konformitätserklärung und CE Kennzeichnung

Der Hersteller erklärt die Konformität

Die Konformitätserklärung (Declaration of Conformity) muss in der Regel unter Einbezugnahme einer benannten Stelle erfolgen.

Ein Hersteller darf nur Produkte in Verkehr bringen die explizit auf der Konformitätserklärung genannt sind.

Das Kürzel der benannte Stelle ist mit auf dem CE-Kennzeichen eines jeden Produktes vorhanden. Außer bei Klasse I.

Das CE-Kennzeichen an sich wurde in der letzten Folge über die MDR erklärt.

Inverkehrbringen

Erst mit der CE-Kennzeichnung und nach erfolgter Registrierung ist das Medizinprodukt für den europäischen Binnenmarkt freigegeben und darf dann ohne Einschränkungen gehandelt werden.

  • Vorher ist eine Verbreitung untersagt!
  • Im Rahmen der Produktvalidierung muss der Hersteller darauf achten, dass die Bereitstellung zur Validierung nicht bereits einem Inverkehrbringen entspricht.
  • Definition: Inverkehrbringen (MDD): „Inverkehrbringen: erste entgeltliche oder unentgeltliche Überlassung eines Produkts, das nicht für klinische Prüfungen bestimmt ist, im Hinblick auf den Vertrieb und/oder seine Verwendung innerhalb der Gemeinschaft, […].“
  • Jedes Medizinprodukt muss bei der DIMDI registriert werden.

Überwachung nach dem Inverkehrbringen / Post-Market Surveillance (MDR)

  • Mit der Markteinführung des Produktes endet die regulatorische Pflicht des Herstellers nicht
  • Vielmehr muss während des gesamten Lebenszyklus des Produktes der Markt beobachtet werden
  • Der Lebenszyklus eines (Medizin-)Produkts endet dann, wenn die vorgesehene Lebensdauer des zuletzt ausgelieferten Produkts abgelaufen ist oder wenn das zuletzt im Markt befindliche Produkt im Markt außer Betrieb genommen und entsorgt wurde
  • Dies fordert die MDR, als auch Normen des QM und Risikomanagements
    • Die ISO 13485 fordert, dass die Hersteller die Wirksamkeit Ihres QM-Systems und die Sicherheit Ihrer Medizinprodukte durch Marktbeobachtung sicherzustellen.
    • Die ISO 14971 fordert, dass die Hersteller nach in-verkehr bringen Ihrer Medizinprodukte feststellen ob die Wahrscheinlichkeiten und Schweregrade richtig angenommen wurden. Es muss auch kontinuierlich geprüft werden, dass die daraus resultierenden Risiken und Risikoakzeptanzkriterien immer noch gültig sind.

Definition aus der MDR: „Überwachung nach dem Inverkehrbringen“ bezeichnet alle Tätigkeiten, die Hersteller in Zusammenarbeit mit anderen Wirtschaftsakteuren durchführen, um ein Verfahren zur proaktiven Erhebung und Überprüfung von Erfahrungen, die mit den von ihnen in Verkehr gebrachten, auf dem Markt bereitgestellten oder in Betrieb genommenen Produkten gewonnen werden, einzurichten und auf dem neuesten Stand zu halten, mit dem ein etwaiger Bedarf an unverzüglich zu ergreifenden Korrektur- oder Präventivmaßnahmen festgestellt werden kann;

Das Kapitel VII(7) der MDR widmet sich diesem Thema https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32017R0745&from=EN#L_2017117DE.01000101-d-009

Der Anhang III regelt die technische Dokumentation bezogen auf die Überwachung nach dem Inverkehrbringen https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32017R0745&from=EN#d1e32-112-1

Quellen:

Zwischenfälle

Jeder Hersteller muss sicherstellen, dass er Rückmeldungen von Kunden erhält, diese bewertet und ggf. Reaktionen in die Wege leiten kann.

  • Hersteller müssen proaktiv im Markt befindliche, ähnliche Produkte, auf aufgetretene Probleme hin beobachtet.
  • Alle Mitgliedsstaaten müssen ein nationales Meldesystem installieren, an das Hersteller, Betreiber und Patienten Vorfälle melden können.
  • In Deutschland ist dies das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das Formulare und Informationen bereithält.
  • Bei Korrektur eines vom Hersteller im Markt befindlichen Produkts sind u.a. folgende Optionen an Maßnahmen möglich:
    • Information an Kunden und BfArM (Swissmedic, FDA, …)
    • Rückruf aller betroffenen Produkte (falls notwendig)
    • Korrektur des Fehlers für kommende Produkte

BfArm Meldung über sich selbst entzündene OP-Handschuhe: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Kundeninfos/DE/02/2013/04840-13_kundeninfo_de.html?submit=Filtern&oneOfTheseWords=fire+glove

Überwachung von Herstellern

  • Anzeigepflicht vor Aufnahme der Tätigkeit: Laut MPG §25 „Allgemeine Anzeigepflicht“: „(1) Wer als Verantwortlicher […] seinen Sitz in Deutschland hat und Medizinprodukte […] erstmalig in den Verkehr bringt, hat dies vor Aufnahme der Tätigkeit unter Angabe seiner Anschrift der zuständigen Behörden anzuzeigen; […]“
  • „zuständige Behörden“: Die Behörden sind den Ländern untergeordnet. Die Länder haben die Zuständigkeit unterschiedlich umgesetzt in z.B. Regierungspräsidien, Bezirksregierungen, Landesämtern, Landesdirektionen oder Gewerbeaufsichtsämter
  • „DIMDI“: Beim DIMDI muss der Hersteller sich unter Angabe der Behörde sowie des Sicherheitsbeauftragten anmelden und das DIMDI leitet diese Anmeldung weiter an die Behörde. Die Behörde vergibt daraufhin eine Registrierungsnummer für den Hersteller.

vollständige Liste: Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI)

Überwachung von benannten Stellen

  • Benannte Stelle: Bei höher klassifizierten Produkten als Klasse I, die nicht steril oder eine Messfunktion beinhalten, muss der Hersteller eine benannte Stelle einschalten. Diese ist ein privatwirtschaftlicher Dienstleister, die selbst keine Rechtskraft gegenüber dem Hersteller hat, allerdings selbst unter staatlicher Überwachung steht. Vorteile: Sicherheit der Produkte gewährleisten; fairer Wettbewerb in der EU
  • Zulassung und Kontrolle der benannten Stelle obliegt den Behörden des Mitgliedstaates.
  • Die Europäische Kommission macht Vorgaben an die Mitgliedstaaten, niemals aber selbst an die Hersteller. Sie verwaltet und veröffentlicht die von den Behörden gemeldeten Stellen und teilt Ihnen Kennnummern zu. Damit sind die Kennnummern, die der CE-Kennzeichnung bei Beteiligung einer benannten Stelle hinzugefügt werden müssen, europaweit eindeutig.
  • EU Akkreditierung: (seit 1.1.2010) Nationale Akkreditierungsstelle wickelt Akkreditierung und Marktüberwachung, sowie Vermarktung von Produkten ab. In DE: Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS)

 

weitere Quelle:

MST002 – Regulatory: Rechtliche Grundlagen: MDR

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Fabian

In der zweiten Episode dieses Podcasts behandeln wir die MDR (Medical Device Regulation), als rechtliche Grundlage für Hersteller und Inverkehrbringer von Medizinprodukten.

Folgende Themen besprechen wir:

  • Erratum
    • Wir stellen ein paar Dinge in Bezug auf letzte Folge klar, die so nicht ganz richtig waren. So fordert die MDR nicht explizit ein Risikomanagement nach ISO 14971 oder ein Qualitätsmanagement nach ISO 13485. Sie stellt jedoch Anforderungen daran.  Mit der Erfüllung der (harmonisierten) Norm z.B. EN ISO 13485 kann nachgewiesen werden, dass ein Qualitätsmanagement umgesetzt wurde, dass den Anforderungen der MDD und MDR entspricht. Selbiges gilt für die anderen Normen. Man spricht hier dann von der sogenannten Konformitätsvermutung.
  • Statistik

#MDDMDRAuswertung
Seiten65175~ 2,6 mal so viel
Wörter26.063 91.223~ 3,5 mal so viel
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  • Unterschiede Anhang I MDD/MDR
    • Wir erklären in ein paar Minuten die Änderungen bzw. Unterschiede zu den allgemeinen Anforderungen des Anhang I der MDD und der MDR.
  • Konformitätsbewertungsverfahren
    • Es gibt es noch! Wie die Abläufe sind, je nach Klassifizierung des Medizinprodukts, zeigen wir euch in den nachfolgenden Bildern:
  • CE Kennzeichnung
    • Zum Abschluss gibt es noch einen kurzen Überblick über das CE Zeichen und was regularisch dahinter steckt.

weitere Quellen:

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Vielen Dank fürs zuhören und bis zum nächsten mal bei der Medical Standard Time.